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Genossenschaft 2.0 – was heißt das?

Mit Genossenschaft 2.0 bezeichnen wir das Ergebnis unseres Versuchs, ein konsequent faires und zugleich wirtschaftlich tragfähiges Unternehmensmodell zu entwickeln.

Dafür haben wir für die Fairmondo-Genossenschaft ein eigenes Modell gebaut und in unserer Satzung verankert.Geno20

 

Die wichtigsten Organe der Fairmondo-Genossenschaft

„2.0“ steht dabei einerseits für das Ziel, die Rechtsform Genossenschaft als dynamisches Unternehmensmodell zu etablieren, das auch für Startups im Internet geeignet ist.

Darüber hinaus umfasst unser Modell „Geno 2.0“ zwölf spezielle Eigenschaften, die darauf abzielen, nachhaltig zu einer faireren Wirtschaft beizutragen:

1. Faire Grundprinzipien – in der Satzung verewigt

In §3 der Satzung sind zwölf Grundprinzipien verankert, die nur mit einer 9/10-Mehrheit geändert werden können (also praktisch gar nicht mehr, sobald die Genossenschaft größer geworden ist).

Sie verpflichten den Vorstand (d.h. die Geschäftsführung), soweit möglich nach fairen Prinzipien zu handeln. Wenn aus pragmatischen Erwägungen davon abgewichen wird, muss dies auf der Website öffentlich begründet und zur Kommentierung gestellt werden.

  1. Wirtschaftliches Handeln sollte stets im Sinne der Menschen sein. Fairmondo strebt an, die Menschen und ihre Rechte entsprechend der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte in den Mittelpunkt wirtschaftlichen Handelns zu stellen.

  2. Fairmondo verhält sich als Unternehmen fair, sowohl nach Außen (gegenüber Partnern, Kund*innen, durch Geschäftsaktivitäten betroffenen Dritten), als auch nach Innen (Bezahlung und Behandlung der Mitarbeiter*innen). Insbesondere darf das höchste gezahlte Gehalt für Mitarbeiter*innen, die mindestens ein Jahr angestellt sind, bei gleicher Arbeitszeit nicht mehr als dreimal so hoch sein wie das niedrigste gezahlte Gehalt. Was im jeweiligen Kontext als fair gilt wird offen über die Website kommuniziert und zur Kommentierung gestellt. Es werden mindestens die jeweils üblichen Standards eingehalten.

  3. Fairmondo strebt an, bei der Wahl seiner Partner stets sicherzustellen, dass auch diese fair handeln. Dabei gilt die oben genannte Regelung im Fall von pragmatischen Abweichungen.

  4. Fairmondo strebt an, in allen Geschäftsaktivitäten stets umwelt- und klimaschonende Optionen zu wählen.

  5. Fairmondo strebt an, in allen Aktivitäten konsequent transparent zu sein. Insbesondere werden Zahlen und Informationen zu Nutzerentwicklung, Umsätzen, Kosten und Einnahmen über die Website veröffentlicht, sowie Steuerklärungen und Jahresabschlüsse.
    Soweit technisch und rechtlich möglich, werden sämtliche Geschäftskonten offen einsehbar geführt (unter Anonymisierung privater Namen). Soweit rechtlich zulässig werden auch Informationen zu Partnerschaften und größeren Kunden über die Website veröffentlicht.Wenn für bestimmte Bereiche eine Veröffentlichung als unpraktikabel eingeschätzt wird, oder rechtlich oder technisch nicht möglich ist, wird dies über die Website begründet und zur Kommentierung gestellt.

  6. Alle, die es möchten, können sich aktiv in die Weiterentwicklung einbringen. Es werden deshalb praktikable Wege eingerichtet, die eine aktive und inklusive Mitwirkung ermöglichen.
  7. Fairmondo ermöglicht es seinen Nutzer*innen durch geeignete virtuelle Instrumente an geschäftspolitischen Fragen mitzudiskutieren und Feedback zu geben.

  8. Fairmondo stellt alles durch die Genossenschaft produzierte Wissen unter eine offene Lizenz, die Dritten die entgeltlose Weiterentwicklung und -verwendung erlaubt, insofern jene diese wiederum unter eine äquivalente Lizenz stellen. Insbesondere ist alle im Rahmen der Genossenschaft produzierte Software unter eine entsprechende Open Source Lizenz zu stellen, sofern Sicherheits- und Datenschutzerwägungen dies erlauben.

  9. Das aktuelle Wirtschaftssystem verleitet Unternehmen zu nicht-nachhaltigem Ressourcenverbrauch – und zur Verbreitung von Verbrauchsmaximierenden Konsum unter ihren Kunden*innen. Fairmondo fördert gezielt die Verbreitung von verantwortlichem Konsum.Insbesondere wird gefördert: a)der Handel mit gebrauchten Gütern b)der Handel mit fair gehandelten sowie und sozial und umweltverträglich produzierten Gütern (mit und ohne Siegel, nach eindeutig kommunizierten Kriterien, die auf der Website zur Kommentierung gestellt werden) c) die Bereitstellung von Informationen zu verantwortlichem Konsum d)die Anregung der öffentlichen
    Debatte zu bewusstem und verantwortlichem Konsum. Fairmondo verzichtet konsequent auf Werbung die das Ziel hat, zu mehr unverantwortlichem Konsum anzuregen.

  10. Tausende von Unternehmen haben national und multinational durch Lobbying, Intransparenz und direkte Bestechung zur Verbreitung von Korruption in der Welt beigetragen. Wir möchten dies gezielt umdrehen und als Unternehmen proaktiv zur Bekämpfung von Korruption beitragen.
  11. Ein Prozent aller Transaktionen auf den von Fairmondo betriebenen Plattformen werden deshalb in einen Topf für globale Kampagnen gegen Korruption geleitet. Bei andersartigen Geschäftsaktivitäten werden mindestens 1% des Umsatzes in dieser Weise verwendet.

  12. Fairmondo erkennt an, dass Unternehmen durch ihr Handeln das Wirtschaftssystem mitprägen. Mit dem Verzicht auf große Beteiligungen und handelbare Anteile setzt Fairmondo ein Zeichen gegen ein Wirtschafts- und Finanzsystem, in dem sich Aktienhandel und Investitionsstrategien auf menschenfeindliche Weise verselbstständigt haben. Fairmondo erkennt an, dass Steuern zu zahlen eine zentrale Verantwortung von Unternehmen gegenüber der Gesellschaft ist. Insbesondere halten wir es für unverantwortlich, dass große Unternehmen sich Wege schaffen, proportional weniger Steuern zu zahlen als kleine Unternehmen. Deshalb verzichtet Fairmondo darauf, das Zahlen von Steuern durch gezielte rechtliche oder geschäftliche Tricks zu umgehen. Überdies zahlt Fairmondo Steuern stets lokal im jeweiligen Land, in dem ihre Dienste und Produkte angeboten bzw. produziert werden. Es werden nach Möglichkeit jeweils eigenständige Unternehmen gegründet, die ihre eigenen Gewinne vor Ort versteuern. Wenn ein Teil der Gewinne (z.B. des internationalen Dachunternehmens) nur in einem Land versteuert werden können, obwohl sie in mehreren Ländern generiert wurden, wird dies durch gezielte Förderung von fairen Unternehmen und Organisationen in den jeweiligen Ländern ausgeglichen.

Diese zwölf Grundprinzipien wurden in §3 der Satzung von Fairmondo festgehalten.

Nutzer*innen, Mitarbeiter*innen und Unterstützer*innen sollen kontrollieren können, was das Unternehmen tut. Wir haben die Höhe eines Geschäftsanteils möglichst niedrig gesetzt (auf 10 Euro), um die Hürde für die Mitgliedschaft klein zu halten.

Durch die Einführung von Online-Generalversammlungen und den Einsatz spezieller Diskussionstools soll die Mitbestimmung möglichst einfach werden.

Mit dem Aufsichtsrat sieht das Genossenschaftsrecht ein gewähltes ständiges Gremium vor, dass die tägliche Geschäftsführung überwacht und die Generalversammlung informiert. Überdies unterliegen Genossenschaften der Pflicht zu einer regelmäßigen Prüfung durch einen externen Genossenschaftsverband.

Transparenz ist die Voraussetzung für Verantwortlichkeit und Kontrollierbarkeit – und damit für verbindliche Fairness. Deshalb ist Transparenz eines der zwölf Grundprinzipien von Fairmondo (siehe 5.). In der Praxis wird das durch zwei Instrumente umgesetzt: Die Pflicht zur Veröffentlichung aller relevanten Daten auf der Website (Satzung §3) und durch den Einsatz der Software des Open Bank Project, über das die Konten der Genossenschaft offen geführt werden (die Daten Externer werden natürlich anonymisiert). Sobald die Einrichtung abgeschlossen ist, wird der Zugang zur Einsicht ins Geschäftskonto hier veröffentlicht.
 
In Genossenschaften hat jedes Mitglied generell eine Stimme, unabhängig von der Zahl der gezeichneten Anteile – niemand kann sich durch Zeichnung zusätzlicher Anteile größeren Einfluss erkaufen. Zudem können jederzeit weitere Anteile eingelegt werden, ein sich verselbstständigender Handel mit Anteilen ist also praktisch ausgeschlossen. Um niemandem besonderen Einfluss durch die Androhung von Austritt zu ermöglichen, liegt die maximale Beteiligung pro Person bei 2500 Anteilen (25.000 Euro). Bestärkt wird dies durch eine 3-jährige Kündigungsfrist.
Fairmondo ist auf die Erwirtschaftung von Gewinnen ausgelegt. Durch die Beschränkung der Zahl möglicher Anteile pro Person auf 2500 (25.000 Euro) wird sichergestellt, dass viele etwas davon haben.

Durch die Ausschüttung von 25% der Gewinne an ausgewählte gemeinnützige Organisationen soll zu einem breiteren Mehrwert beigetragen werden. An wen genau, darüber verfügen die Nutzer*innen (siehe 7.). Ein Teil der Gewinne wird für die Weiterentwicklung und Verbreitung des Modells selbst eingesetzt.

Die Aufteilung der Gewinne geschieht nach dem Vier-Viertel Modell:

Vier Viertel Modell

 

Wer sich für die Gründung von Fairmondo einsetzt, soll auch am Erfolg beteiligt werden. Dafür haben wir ein System von Anteilspunkten entwickelt, das FAIR Founding Point (FFP) System: Alle, die sich aktiv für die Gründung einsetzen, ob im Team oder extern, erhalten 200 FFP pro Stunde Arbeit. Wer sich bereits in der Gründungsphase mit Anteilen beteiligt, erhält 500 FFP pro Anteil.

Durch dieses System werden all jene belohnt, die das Risiko eingehen, an die Idee zu glauben und sich für sie einzusetzen.

Die FAIR Share Points (FSP) erhalten alle nicht gewerblichen Nutzer*innen, die auf der Plattform gebrauchte oder faire Dinge kaufen oder verkaufen. Sie sollen eine automatische Beteiligung am Unternehmen abbilden. Insbesondere können die Nutzer*innen anhand der Zahl ihrer gesammelten FSP darüber verfügen, an welche gemeinnützigen Organisationen 25% der Gewinne gespendet werden.

 Ein essentielles Element des Modells ist die Wahl des Vorstands durch die angestellten Mitarbeiter*innen. Dies soll zum einen die nachhaltige wirtschaftliche Ausrichtung des Unternehmens sicherstellen – die Geschäftsführung bleibt unabhängig von den kurzfristigen Gewinninteressen externer Investor*innen.

Zum anderen stärkt diese Regelung die Mitarbeiter*innen – also diejenigen, die das Unternehmen am besten kennen – in ihrer täglichen Kontrollfunktion. Unfaires Verhalten des Unternehmens kann durch Mitarbeiter*innen angezeigt werden, ohne dass diese sich gleich um ihren Arbeitsplatz sorgen müssen.

Überdies wird die Geschäftsführung dazu motiviert, gute Arbeit zu machen, um sich den Rückhalt der Belegschaft zu sichern. Und das nicht allein bezüglich abstrakter Kennzahlen, sondern gemessen an der Einschätzung derjenigen, die täglich die Konsequenzen sehen.

Dieses Modell geht natürlich von einer mündigen, gut qualifizierten Belegschaft aus. Die Vorstellung, Mitarbeiter*innen seien kommandierbare Ressourcen, die Unternehmensstrategische Entscheidungen nicht überschauen können, ist unserer Ansicht nach ein überwindungsbedürftiges Relikt aus dem letzten Jahrhundert.

 Die „Crowd“, also die breite Gruppe von (potentiellen) Kund*innen und Sympathisant*innen, ist elementarer Bestandteil der Unternehmensstrategie. Als Sozialunternehmen, das alle Unterstützer*innen konsequent am Erfolg beteiligt, kann Fairmondo glaubwürdig externe Helfer*innen einspannen – ohne Gefahr zu laufen, sie auszunutzen (vgl.7.).

Im Rahmen der „Crowdmarketing“-Strategie werden sich hunderte „Fairmondo-Held*innen“ im ganzen Land aktiv an der Verbreitung beteiligen. Zugleich strömen die „Jägerinnen und Sammler“ aus, um spannende Artikel und Händler*innen für den Marktplatz zu suchen.

Durch Crowdfunding (bzw. Crowdinvestment) wird das Unternehmen von Beginn an auf eine breite Basis von Menschen gestellt, die als Teilhaber*innen und Mitglieder der Genossenschaft ihren Erfolg mitbegleiten.

Nicht zuletzt bringt die Crowd ein Potential an Wissen und Ideen mit sich, das weit über das hinaus geht, was die geschlossene Gruppe der Mitarbeiter*innen mitbringen kann:

 Wie sähen die großen Online-Marktplätze heute aus, wenn die Nutzer*innen sie fortlaufend mitentwickelt hätten? Fairmondo setzt auf einen konsequente Open-Innovation-Ansatz. Das heißt, die Nutzer*innen können eigene Ideen einbringen und sich in eigenen Arbeitsgruppen an ihrer Entwicklung beteiligen.

Besonders wichtig ist dafür die Programmierung des Marktplatzes als Open-Source-Projekt. Das durch Fairmondo geschaffene Wissen kann durch alle weiterentwickelt werden – vorausgesetzt, das neu geschaffene Wissen wird wieder frei zur Verfügung gestellt (vgl. Grundprinzip 8).

 Was Geno 2.0 nicht ist:

 Wir möchten nicht in die alte Debatte „Kapitalismus“ versus „Sozialismus“ einsteigen. Insbesondere möchten wir  uns hinter keiner Ideologie verbarrikadieren, deshalb ist das Angebot von Möglichkeiten zur offenen Diskussion ein Grundprinzip des Modells (siehe 1.).

Mit unserem Modell von Geno 2.0 gehen wir von drei Ausgangsbeobachtungen aus:

1. Unser aktuelles Wirtschaftssystem führt in vielen Fällen zu unfairen* Ergebnissen
2. Das Verhalten von Unternehmen hat maßgeblichen Einfluss auf das Wirtschaftssystem (inkl. der Politik)
3. Die Art, wie ein Unternehmen strukturiert ist, hat maßgeblichen Einfluss darauf, wie sich ein Unternehmen verhält**

Auf diesen Annahmen fußt unser Ziel, ein konsequent faires, konsequent transparentes und konsequent verantwortlich strukturiertes Unternehmen zu schaffen.

* Für diese Einschätzung genügt bereits ein vereinfachender Begriff von Fairness als „Chancengleichheit“.

** Natürlich schließen wir nicht aus, dass sich auch undemokratisch strukturierte Unternehmen – im Glücksfall von verantwortungsbewussten und fair denkenden Besitzer*innen bzw. Geschäftsführer*innen – fair verhalten können. Bei Fairmondo möchten wir uns nicht auf dieses Glück verlassen. Spätestens bei Großunternehmen können strukturelle Faktoren (wie z.B. die Abhängigkeit von Großinvestoren) auch einer fair denkenden Leitung schnell die Hände binden.

Nicht alle haben die Zeit, sich in alle Fragen einzudenken. Und natürlich sind auch uns die Vorteile von Arbeitsteilung, klaren Zuständigkeiten und Entscheidungsfähigkeit bewusst. Deshalb gibt es den Vorstand, der im Rahmen einer agilen, möglichst dezentralen Teamstruktur die täglichen Geschäfte führt und gemeinsam mit den Mitarbeiter*innen klare Zuständigkeiten festlegt.

Was das Modell erreichen soll, ist konsequente Verantwortlichkeit. Alle von den Aktivitäten des Unternehmens Betroffenen sollen kontrollieren können, was das Unternehmen tut – und im Ernstfall einen rechtsverbindlichen Riegel vorschieben können, wenn die Grundprinzipien der Fairness nicht eingehalten werden.

Die Fairmondo-Genossenschaft

Fairmondo ist der erste Anwendungsfall des Modells Genossenschaft 2.0. Die Fairmondo-Genossenschaft wurde im Dezember 2012 gegründet und betreibt seit September 2013 einen eigenen Online-Marktplatz.

PS: In dieses Modell sind Diskussionen mit einer Vielzahl von Menschen geflossen. Wir betrachten die Diskussion keinesfalls als beendet und freuen uns über jede konstruktive Kritik ebenso wie über neue Ideen und Vorschläge. Und wir hoffen und freuen uns darauf, in den nächsten Jahren viele neue Partner*innen und Freund*innen für das gemeinsame Ziel einer faireren Wirtschaft zu finden.

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Dieser Text von Felix Weth ist 2013 als Blogpost entstanden und wurde aufgrund eines abgelaufenen SSL-Zertifikats auf dem Fairmondo-Blog vorerst hier veröffentlicht. Geringe redaktionelle Korrekturen wurden vorgenommen.

 

Über 2000 Menschen haben sich bereits an der Fairmondo-Genossenschaft beteiligt.