Alberto Moravia - Ich und Er, Roman, TB, 1974, 270 Seiten
Dies ist nicht nur einer der erfolgreichsten, sondern auch einer der kühnsten und überraschendsten Romane des großen italienischen Erzählers. «Hat Alberto Moravia Humor? 'lch gäbe alles darum', erklärte er in einem Interview, 'hätte ich ein Buch wie den "Gargantua" geschrieben». Nun hat er unter dem Titel lo e lui (Ich und Er) einen Roman veröffentlicht, dem gewisse gargantueske Qualitäten in der Tat nicht abzusprechen sind. Sein Held ist jener männliche Körperteil, dessen Beschaffenheit häufiger noch, als wir selbst in unseren aufgeklärten Zeiten ahnen, Lebensläufe lenkt, Schicksale formt, ja Geschichte macht. Während es in solchen Fällen jedoch meistens darum geht, durch Überkompensation ein Manko wettzumachen, ist es in Moravias Roman umgekehrt. Hier ist es das ganz ungewöhnliche Format, das, wie es an einer Stelle anschaulich heißt, 'einen Esel beschämen könnte', welches die Verwicklungen auslöst; und natürlich nicht nur das Format, sondern auch die ständige Bereitschaft, dieses Geschenk der Natur seinen Zwecken entsprechend zu betätigen. Glücklicher Mann, wird mancher sagen und kaum verstehen, woher da der Konfliktstoff kommen soll. Doch Signore Rico, der solcherart Ausgezeichnete, empfindet es anders. Er ist klein, dick, glatzköpfig, kurzbeinig, eine eher lächerliche Erscheinung und keineswegs zum Don Juan geschaffen; zudem ein in die Mühlen der Filmindustrie geratener Intellektueller, dessen Ehrgeiz dahin geht, ein 'sublimierter' Mensa zu sein. Rico hat Freud gelesen, nennt ihn seinen Schutzheiligen und meint auf Grund dieser Lektüre zu wissen, daß ordinäre Potenz künstlerische Kreativität ausschließe. Diese sei nur auf dem Wege der Sublimierung - das Zauberwort ist für ihn zur Zwangsvorstellung geworden - zu erreichen; und so beginnt der tragikomische Kampf eines allzugut Versehenen gegen den Feind im Souterrain.
Es ist die Geschichte einer Persönlichkeitsspaltung, bei der 'lch' und 'Er' nicht nur in übertragenem Sinne miteinander im Streit liegen, sondern buchstäblich ein permanentes, ebenso hitziges wie spitzfindiges Streitgespräch führen»
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